Nachdem alle nötigen Unterlagen über das Original
zusammengetragen wurden, sollte man sich überlegen, welche Materialien für die Umsetzung
erforderlich sind, und ob man selbst auch in der Lage ist, diese zu verarbeiten. Für die
Herstellung meiner Lilienthal-Modelle verwende ich ausschließlich die gleichen
Materialien, die tatsächlich von Otto Lilienthal selbst für den Bau seiner großen
Versuchsapparate verwendet wurden. Mit besonderer Rücksicht auf die Exklusivität unserer
Modelle vermeiden wir es, andere Materialien zu verwenden und lediglich durch einen
modellbauerisch gelungenen Farbanstrich das tatsächliche Material vorzutäuschen. Das
hauptsächlich verwendete Material für unsere Modelle sind Weidenruten - natürlich ganz
junge. Grundvoraussetzung für das Gelingen des Projektes sind auch umfassende Kenntnisse
bei der Verarbeitung des Materials. Es ist beispielsweise nicht so einfach wie es aussieht
Weidenruten zu verarbeiten. Man trifft hier auf die gleichen Probleme wie einst Otto
Lilienthal. Der Werkstoff kann auch nur zu einer bestimmten Jahreszeit geschnitten werden,
da sich die Ruten sonst nicht einwandfrei schälen lassen. Genauso müssen sie erst einen
bestimmten Zeitraum lagern, da sonst die Zellen des Materials zu sehr mit Wasser gefüllt
sind und sich daher nicht einwandfrei biegen lassen. Umgekehrt brechen sie nach zu langer
Lagerung, da sie dann leicht brüchig werden. Auf diese Weise können also schon die
Modelle im Bau etwas darüber berichten, welche Problemstellungen damals auf Otto
Lilienthal bei der Wahl der Werkstoffe auf ihn zukamen.
Als nächstes gilt es nach den Originalzeichnungen
Arbeitszeichnungen anzufertigen. Diese können durchaus lediglich skizzenhaft sein,
sollten aber maßstabsgerecht in den Abmessungen gehalten sein, die das Modell bekommen
soll. Hierauf lässt sich dann hervorragend arbeiten.
Natürlich muß bereits bei der Konzeption des Modells darauf
geachtet werden, ob und wie sich die technische Funktionalität der Teile des Originals
umsetzen lassen. Die technische Einfachheit der Gleitapparate Otto Lilienthals erlaubt es
bei dem von mir gewählten Maßstab in 1/15 alle Funktionen originalgetreu zu realisieren.
So können die Modelle tatsächlich genauso zerlegt werden, wie Otto Lilienthal seine
großen Apparate für den Transport zerlegen konnte. Nebenstehende Abbildungen zeigen
auch, wie sich die Flügelkonstruktion zusammenlegen lässt - ganz wie das Original.
Ebenso lässt sich das Leitwerk vom sogenannten "Gestellkreis" lösen und die
gesamte Abspannung durch die Verwendung kleiner Haken aushängen. Für einen Sammler ist
hierbei von untergeordneter Bedeutung, ob er diese Eigenschaften nutzen kann oder nicht.
Schließlich befindet sich das fertige Stück ohnehin unter Glas - wichtig ist nur, daß
es dem Original entspricht.
Die Montage der Modelle erfordert ebenfalls äußerste Sorgfalt. Es
sei hier nur erwähnt, daß diese Modelle ausschließlich in Handarbeit angefertigt
werden. Da für das Bohren kleiner Löcher für die winzigen Bolzen keine Bohrschablonen
verwendet werden, ist eine absolut ruhige Hand erforderlich. Einige Bohrungen an diesem
Modell haben gerade mal einen Durchmesser von 0,25mm. Das gleiche gilt für die
verwendeten Bolzen.
Zu guter letzt muß natürlich die Abspannung gleichmäßig und
ordentlich sein. Schließlich würde das Modell im Original auch nicht mit gegenseitig
verwundenen Flügeln fliegen. Abgesehen davon würde es ja auch ziemlich unförmig
aussehen.
Ich hoffe, daß Ihnen dieser Einblick gefallen hat.
Achim S. Engels
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Das Herzstück eines Lilienthal-Gleiters - das Gestellkreuz
Das Gestellkreuz mit Leitwerk
Die zusammenlegbaren Flügel der Lilienthal-Apparate
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